In der Baubranche oder im Handwerk ist es bei langfristigen Aufträgen üblich, dass Abschlagszahlungen mit den Kunden vereinbart werden. In der Vergangenheit wurde der Gewinn aus einem Projekt erst mit der Abnahme des fertigen Werkes erfasst. Nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) sollten seit Juni 2015 Gewinne schon mit Fertigstellung einzelner Projektabschnitte vorgetragen werden, wenn Abschlagszahlungen vereinbart wurden. An dieser Rechtsauffassung bestanden erhebliche Zweifel, wie das SHBB-Journal in Ausgabe 2/2015 berichtete. Nach heftiger Kritik von Berufs- und Wirtschaftsverbänden macht das BMF nun eine Kehrtwende und stellt die alte Rechtslage durch ein neues Anwendungsschreiben aus März 2016 wieder her.
Der Auslöser für den ganzen Trubel war ein umstrittenes Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) aus Mai 2014. Der Streitfall betraf ein Ingenieurbüro, das seinen Gewinn durch Bilanzierung ermittelte und für seine Planungsarbeiten Abschlagsrechnungen nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ausgestellt hatte. Der BFH urteilte, dass das Ingenieurbüro den Gewinnanteil für einen Projektabschnitt bereits gewinnerhöhend in der Buchführung hätte erfassen sollen, als der Abschlag bezahlt wurde. Dieser wäre zu berechnen gewesen als Differenz aus den erhaltenen Abschlagszahlungen und erstellten unfertigen Leistungen.
Dieses Urteil nahm das BMF zum Anlass, die Gewinnwirksamkeit von Abschlagszahlungen nicht nur für Leistungen nach der HOAI, sondern generell für alle Werkleistungen zu reformieren. Zusätzlich sollte die Neuregelung auch noch rückwirkend für das Jahr 2015 gelten. Nach erheblicher Kritik von vielen Organisationen hat das BMF nun jedoch Abstand von der Umsetzung der Verordnung genommen und die alte Rechtslage weitestgehend wieder hergestellt. Die Grundsätze zur Gewinnrealisierung aus dem BFH-Urteil von 2014 sollen lediglich für offene Altfälle von vor 2009 angewendet werden, die nach der alten HOAI abzurechnen sind. Damit bleibt es für bilanzierende Handwerksbetriebe dabei, dass auch bei der Vereinbarung von Abschlagszahlungen der Gewinn bei Werkverträgen erst mit der Endabnahme des Werkes realisiert wird.