Der Umsatzsteuersatz beträgt im Regelfall 19 % und ermäßigt sich für bestimmte, im Gesetz genau bezeichnete Leistungen auf 7 %. Unter anderem wird die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen mit 7 % besteuert. Die Steuerermäßigung greift allerdings nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind.
Dieses gesetzliche Aufteilungsgebot wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) jüngst angezweifelt. Mit Beschluss aus März 2022 in einem Antragsverfahren zur Aussetzung der Vollziehung hat der BFH ernsthafte Zweifel daran geäußert, ob das im deutschen Umsatzsteuergesetz festgelegte Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Streitig ist, ob Leistungen der Antragstellerin an ihre Hotelgäste als einheitliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Im Streitfall betrieb die Antragstellerin ein Hotel und Restaurant. In den Streitjahren 2014 bis 2017 erhielten alle Hotelgäste auch ein Frühstück sowie die Zugangsmöglichkeit zum hoteleigenen Spa-Bereich, bloße Übernachtungen bot die Antragstellerin gar nicht an.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass Übernachtung, Frühstück und die Nutzung des Spa-Bereichs jeweils eigenständige Leistungen seien, von denen die Übernachtung einerseits dem ermäßigten Steuersatz und Frühstück (vor der Corona-bedingten Steuersenkung) sowie Nutzung des Spa-Bereichs anderseits dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen seien. Die Antragstellerin hielt unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das Aufteilungsgebot für europarechtswidrig und beantragte die Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht, das den Antrag allerdings ablehnte.
Der BFH erläutert, dass das Aufteilungsgebot im deutschen Umsatzsteuergesetz für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, bisher zwar als unionsrechtskonform angesehen wurde, es inzwischen aber fraglich sei, ob an dieser Rechtsprechung weiterhin festzuhalten ist. Der EuGH hat nämlich bereits mit Urteil aus Januar 2018 entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen, nämlich einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gelten würden, nur mit dem Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet. Dies gelte auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann. Hieraus könnte laut BFH gefolgert werden, dass bei unselbständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung „Übernachtung“ zu unterwerfen ist. Die sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ergebende Rechtsfolge, dass die unselbständige Nebenleistung stets das Schicksal der Hauptleistung zu teilen hat, könnte insoweit das gesetzliche Aufteilungsgebot verdrängen.
Unser Rat: In der Praxis sollten alle betroffenen Steuerfestsetzungen offen gehalten werden. Problematisch dürfte in diesem Zusammenhang allerdings ein offener Umsatzsteuerausweis von 19 % in den Rechnungen sein. Sollten die Zweifel des BFH bestätigt werden, wären dann Korrekturen der Ausgangsrechnungen notwendig. Soweit technisch umsetzbar, empfiehlt es sich daher, in Ausgangsrechnungen gegenüber Privatkunden ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit auf den offenen Ausweis der Umsatzsteuer bis auf weiteres zu verzichten.
Bildnachweis: ©joyt / stock.adobe.com