Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit Januar 2017 flächendeckend in Deutschland 8,84 Euro brutto je Zeitstunde, und die nächste Anpassung steht erst 2019 bevor. Schön wäre es, wenn alles so einfach wäre. Leider sieht die Realität ganz anders aus, denn aufgrund von allgemeinverbindlichen oder regionalen Tarifvereinbarungen sowie speziellen landesrechtlichen Regelungen müssen Arbeitgeber sehr genau aufpassen, was wirklich mindestens gezahlt werden muss. Hierbei gilt es, den Überblick zu behalten.
Allgemeinverbindliche Tarifvereinbarungen
Für viele Branchen existieren Tarifverträge, die auf Basis des Arbeitnehmerentsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes oder aber des Tarifvertragsgesetzes durch die Bundesregierung für allgemeinverbindlich erklärt worden sind und insoweit Vorrang vor dem gesetzlichen Mindestlohn haben. Solche Regelungen, die zum Teil deutlich höhere Löhne als 8,84 Euro pro Stunde vorsehen, sind zum Beispiel für Maler und Lackierer, Gebäudereiniger, Dachdecker, Gerüstbauer, im Baugewerbe, im Elektrohandwerk und in der Fleischwirtschaft zu beachten. Aufgrund der Allgemeinverbindlichkeitserklärung sind diese Branchentarifverträge auch in Betrieben anzuwenden, die eigentlich nicht tarifgebunden sind. Von einigen Branchen, wie zum Beispiel dem Friseurhandwerk, der Textil- und Bekleidungsindustrie oder der Land- und Forstwirtschaft inklusive Gartenbau, wurden vorübergehend allgemeinverbindliche Tarifverträge mit einer zeitlichen Staffelung des maßgeblichen Mindestlohns eingeführt, um den Einstieg in den gesetzlichen Mindestlohn zu erleichtern. Diese Branchenverträge sind für Friseure bereits mit Ende 2014 und für die Textil- und Bekleidungsindustrie mit Ende 2016 ausgelaufen. Auch der für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau vereinbarte Mindestentgeltvertrag, der ab November 2017 eine bundeseinheitliche Vergütung von 9,10 Euro brutto pro Stunde vorsah, ist Ende 2017 weggefallen. Damit gilt als Lohnuntergrenze ab 2018 auch in der Landund Forstwirtschaft der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro pro Stunde.
Abweichende tarifvertragliche Regelungen
Auch nicht für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge auf regionaler Ebene können dafür verantwortlich sein, dass mehr als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden muss. Diese Tarifverträge finden aber nur dann auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung, wenn
- beide Parteien tarifgebunden sind, weil der Arbeitgeber im Arbeitgeberverband und der Arbeitnehmer in der Gewerkschaft organisiert ist,
- oder die Anwendung des Tarifvertrags eindeutig im Arbeitsvertrag vereinbart wurde,
- oder eine entsprechende einzelbetriebliche Übung besteht.
Die ausgehandelten Tarifverträge können in einzelnen Bundesländern gegebenenfalls voneinander abweichen, da die Tarifhoheit in der Regel bei den Landesverbänden liegt. Für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft haben der Gesamtverband der Deutschen landund forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V. (GLFA) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar- Umwelt (IG BAU) im Dezember 2017 die sogenannte „Bundesempfehlung für Landarbeiter“ beschlossen. Diese Empfehlung wendet sich direkt an die regionalen Tarifvertragsparteien und empfiehlt, für 2018 den bisherigen Mindestlohn für die Landwirtschaft von 9,10 Euro pro Stunde beizubehalten und die Bezahlung ab vier Monaten Betriebszugehörigkeit auf 9,25 Euro pro Stunde zu erhöhen. Ab 2019 soll dann der angepasste gesetzliche Mindestlohn gelten.
Bindend sind diese Werte jedoch nicht, denn die Tarifhoheit liegt bei den regionalen Landesverbänden, die diese Empfehlungen zunächst umsetzen müssen. Nach der Umsetzung sind sie zu beachten, sofern sowohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden sind oder aber die Anwendung des regionalen Tarifvertrags ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart ist.
Landesrechtliche Mindestlohnregelungen
Einige Bundesländer, unter anderem Bremen, Nordrhein- Westfalen und Schleswig-Holstein, haben besondere landesrechtliche Gesetzesregelungen erlassen, die bereits in der Vergangenheit einen höheren Lohn als den bundesweit geltenden gesetzlichen Mindestlohn vorsahen. In Schleswig-Holstein müssen zum Beispiel alle öffentlichen und privatrechtlichen Arbeitgeber, die Fördermittel aus dem Landeshaushalt erhalten, nach dem sogenannten Landesmindestlohngesetz ihren Arbeitnehmern seit dem 28. Dezember 2013 mindestens 9,18 Euro brutto pro Stunde zahlen. Zu den oben genannten Fördermitteln zählen auch Zahlungen aus der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, wie zum Beispiel Prämien für den Ökolandbau und für Naturschutzprogramme sowie Erstaufforstungszuschüsse. Nach vorliegenden Verlautbarungen ist geplant, das Landesmindestlohngesetz im Zuge der geplanten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2019 aufzuheben, beschlossen wurde dies aber bisher noch nicht.
Daneben existiert in Schleswig-Holstein ein weiterer landesrechtlicher Mindestlohn: Unternehmen, die öffentliche Aufträge in Schleswig- Holstein erhalten, müssen ihren Arbeitnehmern seit dem 1. Februar 2017 einen Mindestlohn von derzeit 9,99 Euro brutto pro Stunde im Rahmen der Auftragserfüllung zahlen. In Schleswig-Holstein ist eine Änderung dieses vergaberechtlichen Mindestlohns derzeit nicht geplant. In Mecklenburg-Vorpommern wird aktuell über die Erhöhung des vergaberechtlichen Mindestlohns diskutiert. Das SHBB Journal wird Sie über die weitere Entwicklung informieren.