Ein umsatzsteuerlich regelbesteuernder Unternehmer kann sich die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer vom Finanzamt erstatten lassen, wenn die mit den Eingangsleistungen erbrachten Umsätze grundsätzlich einen Vorsteuerabzug erlauben und wenn eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Land & Wirtschaft hatte in Ausgabe 4/2016 über die aktuelle Rechtsprechung hierzu berichtet.
Der umsatzsteuerliche Vorsteuerabzug setzt eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Ordnungsgemäß ist eine Rechnung dann, wenn sie sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen inhaltlichen und formalen Anforderungen erfüllt. Ist eine Rechnung in einem oder mehreren Punkten fehlerhaft, kann sie berichtigt werden. Häufiger Praxisfall ist, dass im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung oder Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Prüfern des Finanzamtes formale Fehler feststellen und die Rechnungen daraufhin berichtigt werden. Nach der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung wirkt eine Berichtigung jedoch nicht in die Vergangenheit zurück mit der Rechtsfolge, dass Steuerzinsen in Höhe von sechs Prozent per anno für die Zeit zwischen Ausstellung der fehlerhaften Rechnung und Rechnungsberichtigung anfallen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil aus September 2016 entschieden, dass eine rückwirkende Berichtigung fehlerhafter Rechnungen möglich ist. Im Ergebnis entfällt somit auch eine Verzinsung, wenn es nach einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung zu keiner Umsatzsteuernachzahlung kommt. Nun hat auch der Bundesfinanzhof (BHF) als oberstes deutsches Steuergericht mit einem Urteil aus Oktober 2016 entschieden, dass die Berichtigung einer fehlerhaften Rechnung in die Vergangenheit zurückwirkt. Diese Entscheidung ist für alle Unternehmen von großer Bedeutung, die trotz formaler Rechnungsmängel den Vorsteuerabzug aus bezogenen Eingangsleistungen in Anspruch nehmen beziehungsweise in Anspruch genommen haben.
Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt dennoch: Die ursprüngliche Rechnung muss nach Auffassung des BFH berichtigungsfähig sein, das heißt, sie muss zumindest Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungs- beziehungsweise Rechnungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Netto-Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalten. Diese Angaben können zwar ebenfalls ganz oder teilweise fehlerhaft sein; sie dürfen aber nicht gänzlich fehlen und auch nicht so unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sein, dass sie wie fehlende Angaben anzusehen wären. Der BFH spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten Mindestangaben in einer Rechnung. Es bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber und die Finanzverwaltung auf die aktuelle Rechtsprechung reagieren werden.
Unser Rat
Bei fehlerhaften Eingangsrechnungen sollte die Berichtigung durch den Rechnungsaussteller trotz der neuen, für die Unternehmen positiven Rechtsprechungen nach wie vor so schnell wie möglich veranlasst werden. Mit längerem Abwarten erhöht sich die Gefahr, dass eine Rechnung trotz des grundsätzlichen gesetzlichen Anspruchs des Leistungsempfängers tatsächlich nicht mehr berichtigt werden kann, zum Beispiel wegen Insolvenz des Geschäftspartners oder weil das Unternehmen, das die Lieferung oder Dienstleistung erbracht hat, gar nicht mehr besteht.