Die Erhebung des Solidaritätszuschlags (SolZ) war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil aus Januar 2023 entschieden.
Die Kläger hatten sich in der vom Bund der Steuerzahler unterstützten Musterklage gegen die Fortführung des SolZ in den Jahren 2020 und 2021 nach dem Auslaufen des Solidarpakts II und damit der Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer im Jahr 2019 sowie die damit zusammenhängende Neuregelung des Länderfinanzausgleichs gewandt.
Die Argumentation der Kläger
Der SolZ dürfe als Ergänzungsabgabe nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden. Sein Ausnahmecharakter verbiete aber eine dauerhafte Erhebung. Auch neue Zusatzlasten, die etwa mit der Corona-Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine einhergingen, könnten den SolZ nicht rechtfertigen. Die Erhebung verletze die Kläger zudem in ihren Grundrechten. Der SolZ sei seit der Gesetzesänderung im Jahr 2021, nach der rund 90 % aller Steuerpflichtigen keinen SolZ mehr zahlen müssen, eine verkappte „Reichensteuer“, die gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoße.
Die Ablehnungsgründe des BFH
Der BFH ist den Argumenten der Kläger nicht gefolgt. Beim SolZ handelt es sich auch in Jahren 2020 und 2021 um eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe zur Deckung eines zusätzlichen Finanzbedarfs des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern. Die Abgabe muss nicht von vornherein befristet werden, und der Mehrbedarf für die Ergänzungsabgabe kann sich auch für längere Zeiträume ergeben. Allerdings ist ein dauerhafter Finanzbedarf regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist.
Der SolZ sollte bei seiner Einführung im Jahr 1995 der Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Lasten dienen. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 hat der SolZ seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren, da keine zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem SolZ besteht. Zudem bestand in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes, so der BFH. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung auf diesen fortbestehenden Bedarf, der unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts gegeben war, hingewiesen und dargelegt, dass die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten SolZ zukünftig die fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht decken werden.
Dass sich diese Kosten im Laufe der Zeit weiter verringern werden, hat der Gesetzgeber mit der ab dem Jahr 2021 in Kraft getretenen Beschränkung des SolZ auf die Bezieher höherer Einkommen und der damit verbundenen Reduzierung des Aufkommens in Rechnung gestellt. Aus dem Gesetz zur Rückführung des SolZ wird daher deutlich, dass der Gesetzgeber diesen nicht unbegrenzt erheben will, sondern nur für eine Übergangszeit. Ein finanzieller Mehrbedarf des Bundes, der aus der Bewältigung einer Generationenaufgabe resultiert, kann auch für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser Zeitraum ist beim SolZ jedenfalls auch 27 Jahre nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen.
Der SolZ verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Ab dem Jahr 2021 werden aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit dem SolZ belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der SolZ an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig. Daher kann auch der Gesetzgeber beim SolZ, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken. Vor diesem Hintergrund ist die ab 2021 bestehende Staffelung des SolZ mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt.
Unsere Meinung
Die Zukunft des SolZ bleibt ungewiss. Letztendlich wird voraussichtlich das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit prüfen müssen, nachdem die Steuerpolitik über Jahrzehnte es nicht geschafft hat, eine plausible, zeitgemäße und mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbare Lösung zu schaffen, zum Beispiel durch eine Integration des SolZ-Aufkommens in den Einkommensteuertarif. Karlsruhe hat in der Vergangenheit leider allzu sehr als Reparaturbetrieb der Steuerpolitik dienen müssen, ob bei der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer oder der Grundsteuer. Beim SolZ zeigt sich nun erneut die Reformunfähigkeit der Steuerpolitik, obwohl eine grundlegende, durchgängig schlüssige Reform des Steuerrechts überfällig ist.
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